Was bedeutet die Pubertät für dich und deinen Hund?
Erinnerst du dich noch an die Zeit, als dein kleiner Welpe am liebsten eng an dich gekuschelt, neugierig und voller Freude am gemeinsamen Lernen war?
Und jetzt?
Plötzlich scheint er seinen Namen vergessen zu haben, liebevolle Bitten verhallen und anstelle deines süßen Lieblings hast du ein rebellisches „Puber-Tier“ an der Leine.
Hinweis:
Die Pubertät ist keine Zeit, in der dein Hund dich bewusst herausfordern oder deine Führung infrage stellen möchte.
Es ist ein fundamentaler biologischer Prozess, der den Übergang vom Junghund zum erwachsenen Tier markiert. Was du erlebst, ist das sichtbare Ergebnis eines gigantischen Umbaus im Inneren deines Hundes.[/hinweis]
Stell dir das Gehirn deines Hundes wie eine riesige Baustelle vor. Der Bereich für rationales Denken und Impulskontrolle bei deinem Hund (der präfrontale Kortex) ist vorübergehend „wegen Umbau geschlossen“.
Gleichzeitig läuft das emotionale Zentrum auf Hochtouren. Hormone wie Testosteron, Östrogen und das Stresshormon Cortisol fluten den Körper und sorgen für ein emotionales Auf und Ab.
Dein Hund möchte also nicht ungehorsam sein; er kann in vielen Momenten einfach nicht anders.
Er ist neurologisch nicht in der Lage, Reize so zu verarbeiten oder Impulse so zu kontrollieren wie ein erwachsener Hund.
Anzeichen der Pubertät beim Hund: Die große Verwandlung
Die Pubertät kündigt sich nicht mit einem einzigen, klaren Zeichen an.
Sie kommt oft schubweise und beeinflusst sowohl den Körper als auch das Verhalten deines Hundes.
Körperliche Veränderungen
Die Verwandlung vom tapsigen Junghund zum stattlichen Erwachsenen ist oft das erste, was dir auffällt.
- Dein Hund durchlebt Wachstumsschübe in Knochen und Muskeln, die ihn größer und schwerer machen, eventuell wirkt er in gewissen Situationen ungeschickter als sonst.
- Der Zahnwechsel ist nun abgeschlossen und das bleibende Gebiss mit 42 Zähnen ist durchgebrochen.
- Das weiche Welpenfell verändert sich und bekommt eine andere Dichte, Textur oder sogar eine andere Farbe.
- Die Geschlechtsorgane reifen heran, was sich bei Rüden durch größere Hoden und bei Hündinnen durch eine deutlichere Vulva bemerkbar macht.
- Manche Hunde entwickeln einen intensiveren Körpergeruch, da die Talgdrüsen aktiver werden.
typische Verhaltensänderungen
Das innere Chaos zeigt sich in einer ganzen Reihe von Verhaltensweisen.
Denk immer daran: Es ist die Biologie, die hier Regie führt.
Hier typische Verhaltensweisen in der Hundepubertät:
- Das einst zuverlässige „Sitz“ oder „Hier“ scheint wie aus dem Gedächtnis deines Hundes gelöscht, was daran liegt, dass sein Gehirn mit der Verarbeitung von Umweltreizen überlastet ist.
- Dein Hund springt plötzlich aufs Sofa oder entfernt sich auf Spaziergängen weiter von dir als je zuvor, wenn ihr ohne Leine Gassi geht. Ein natürlicher Drang zur Abnabelung.
- Eben noch euphorisch am Spielen, kann dein Hund im nächsten Moment grundlos ängstlich oder lustlos im Körbchen liegen – diese schnellen Stimmungswechsel sind typisch.
- Alltägliche Dinge wie ein Mülleimer, ein Fahrrad oder ein Regenschirm können plötzlich panische Angst auslösen.
- Spielerische Raufereien können plötzlich ernster werden, es kommen Aggressionen beim Hund auf und er kann im Umgang mit Artgenossen unsicherer oder auch mal übermütig auftreten.
- Dein Hund jagt plötzlich viel mehr. Der Jagdinstinkt des Beagles oder der Hütetrieb des Border Collies können sich in dieser Zeit deutlich verstärken.
- Bellen, Winseln, Jaulen oder Knurren können häufiger werden, da dein Hund versucht, seiner Gefühlswelt Ausdruck zu verleihen.
Typische Pubertätssymptome bei Rüden und Hündinnen
- Er beginnt, beim Urinieren das Bein zu heben und setzt an vielen Ecken kleine Duftmarken zur Reviermarkierung.
- Der Geruch einer läufigen Hündin kann ihn völlig aus der Bahn werfen, sodass er Spuren wie besessen folgt.
- Andere Rüden werden nun oft als Konkurrenten angesehen, was zu Imponiergehabe oder Rangkämpfen aus Dominanz bei Hunden führen kann.
- Der starke Trieb, eine Partnerin zu finden, kann beim Rüden zur Flucht bei jeder Gelegenheit führen.
- Die erste Läufigkeit beim Hund ist das eindeutigste Zeichen und tritt meist im Alter von 6 bis 15 Monaten auf.
- Viele Hündinnen werden während der Läufigkeit unkonzentriert, sensibler, nervöser oder auch mal „zickig“.
- Auch Hündinnen markieren häufiger mit Urin, um Rüden auf sich aufmerksam zu machen.
- Einige Wochen nach der Läufigkeit kann es zu einer hormonell bedingten Scheinschwangerschaft kommen, bei der die Hündin Nester baut oder Spielzeug bemuttert.
Hinweis:
Die hormonell getriebenen Verhaltensweisen können deinen Hund in Situationen bringen, die ihn überfordern. Sein Gehirn ist durch den erhöhten Stresslevel und die verminderte Impulskontrolle besonders anfällig dafür, negative Erfahrungen als Trauma abzuspeichern. Deine Aufgabe ist es daher, ihn durch vorausschauendes Management vor solchen prägenden Negativerlebnissen zu schützen.
Typische Lernfelder: Wie du souverän durch die Hundepubertät begleitest
In dieser turbulenten Phase ist deine Reaktion der entscheidende Faktor. Sieh jede Herausforderung als eine Chance, zu wachsen.
Liebevoll auf „Ausrutscher“ reagieren
Das Wichtigste ist, das Verhalten deines Hundes nicht mit Strafe oder lauten Worten zu beantworten.
Sein Gehirn ist bereits mit Stresshormonen überflutet.
Zusätzlicher Druck verstärkt seine Unsicherheit nur.
Wenn dein Hund nicht hört, lernt er nicht, dass das Pinkeln im Haus eine Herausforderung war; er lernt, dass deine Anwesenheit unvorhersehbar sein kann.
Das untergräbt euer Vertrauen.
Tipp:
Wenn dein Hund also wieder unsauber ist, schimpfe nicht. Gehe mental ein paar Schritte zurück und beginne wieder mit dem Stubenreinheitstraining: Führe deinen Hund häufiger nach draußen, besonders nach dem Schlafen, Fressen und Spielen, und lobe ihn überschwänglich, wenn er sein Geschäft draußen erledigt.
Die Bedeutung von liebevoller Konsequenz
Dein Hund erlebt ein inneres Erdbeben.
Das Letzte, was er jetzt braucht, ist ein unsicheres Umfeld.
Er braucht dich als einen Leuchtturm im Sturm, der ihm Orientierung und Sicherheit gibt. Wenn Regeln für Hunde heute gelten und morgen nicht, erzeugt das Stress.
Konsequenz bedeutet nicht, streng zu sein.
Es bedeutet, verlässlich zu sein. Klare und fair durchgesetzte Regeln sind für deinen Hund in dieser Phase ein Ausdruck von Liebe und Führung, an denen er sich festhalten kann.
Die häufigsten Fragen zur Pubertät beim Hund
Als Hundehalter im Pubertäts-Chaos tauchen immer wieder die gleichen drängenden Fragen auf.
Hier findest du klare und fundierte Antworten, die dir helfen, die richtigen Entscheidungen für euch als Team zu treffen.
Wie lange dauert die Pubertät beim Hund?
Die kurze Antwort: Es kommt darauf an.
Die Dauer hängt stark von der Rasse und der individuellen Entwicklung deines Hundes ab.
- Die Pubertät beginnt in der Regel zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat, wobei die gesamte Phase des Erwachsenwerdens, auch Adoleszenz genannt, bis zum Alter von 24 oder sogar 36 Monaten andauern kann.
- Kleine Hunderassen sind oft „Frühstarter“ und können die intensivste Phase bereits mit 18 Monaten hinter sich haben.
- Die Pubertät verläuft nicht wie ein Dauersturm, sondern in Schüben, mit einer oft heftigen ersten Phase und einer längeren Phase der emotionalen Reifung.
Was tun bei plötzlichem Ungehorsam?
Wenn dein Hund auf Durchzug schaltet, ist die richtige Strategie entscheidend. Es geht darum, die Situation gemeinsam zu managen, nicht zu eskalieren.
- Du solltest eine Konfrontation vermeiden, indem du das Kommando nicht immer lauter wiederholst.
- Passe das Training an, indem du deine Erwartungen senkst, im Training ein paar Schritte zurückgehst und die Grundlagen in einer reizarmen Umgebung übst.
- Du kannst Management-Werkzeuge wie eine Schleppleine nutzen, die in dieser Phase Sicherheit gibt und Training ohne Kontrollverlust ermöglicht.
- Mache dich interessanter als die Umwelt, indem du besonders hochwertige Belohnungen nutzt und jede richtige Entscheidung deines Hundes enthusiastisch lobst, um wieder mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.
Soll ich meinen Hund während der Pubertät kastrieren lassen?
Die Entscheidung für oder gegen eine Kastration solltest du niemals leichtfertig treffen.
Achtung:
Eine Kastration ist keine schnelle Lösung für pubertäres Verhalten. Viele Tierärzte und Verhaltensbiologen raten davon ab, einen Hund während der Pubertät zu kastrieren. Die Sexualhormone sind für eine gesunde körperliche, geistige und soziale Entwicklung sehr wichtig. Du solltest eine Kastration, wenn überhaupt, erst nach Abschluss der Reife in Betracht ziehen.
Tipp:
Bei Rüden gibt es die Möglichkeit einer temporären „Kastration auf Probe“ mittels eines Hormonchips. So kannst du beobachten, ob ein unerwünschtes Verhalten tatsächlich hormonell bedingt ist, bevor du eine endgültige Entscheidung triffst.
Wie kann ich meinen Hund optimal unterstützen?
Dein Hund braucht jetzt vor allem drei Dinge von dir: Sicherheit, Struktur und eine starke Bindung.
- Stärke eure Verbindung, indem du diese Zeit für positive gemeinsame Erlebnisse wie Spiele, Kuscheleinheiten und entspannte Erkundungstouren nutzt.
- Gib ihm Struktur durch einen festen Tagesablauf mit geregelten Fütterungs-, Gassi- und Ruhezeiten, was ihm ein Gerüst der Vorhersehbarkeit bietet.
- Biete ihm Schutz, indem du ihn aktiv vor Situationen schützt, die ihn überfordern.
Fazit
Ja, die Pubertät deines Hundes kann eine echte Zerreißprobe sein.
Aber vergiss nie:
Diese Phase ist endlich.
Der rebellische Teenager, der dich gerade herausfordert, ist nicht der Hund, der er für den Rest seines Lebens sein wird.
Jede Minute, die du jetzt in Geduld, Verständnis und faires Management investierst, ist eine Investition in eure gemeinsame Zukunft.
Du legst den Grundstein für eine tiefe, vertrauensvolle Bindung, die ein Leben lang halten wird.
Atme tief durch, bewahre deinen Humor und sei der Fels in der Brandung, den dein Hund jetzt so dringend braucht.
Eines Tages wirst du zurückblicken und feststellen, dass aus dem rüpelhaften „Puber-Tier“ ein loyaler, ausgeglichener und wunderbarer erwachsener Hund geworden ist – dein bester Freund.
Lade dir gerne mein E-Book „Alltagstauglichkeit, der Weg zu mehr Ruhe im Hundeleben“ für konkrete Impulse und wertvolle Tipps zu bekommen herunter.